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Am 16. April 2012 fand die erste Veranstaltung der siebenteiligen Seminarreihe zum „zertifizierten Fachberater für Selbstversorgung aus der Natur“ in Heidelberg statt. Das Thema des Tages lautete: “Angewandte Phytotherapie – Herstellung von Heilmitteln und Körperpflegeprodukten”. Insgesamt 20 Teilnehmer hatten sich eingefunden, um an diesem Tag vor allem den Ausführungen der gelernten Apothekerin Frau Ursula Gieringer zu lauschen. Zunächst sprach der Kursleiter Dr. Markus Strauß darüber, warum es sinnvoll ist, sich wieder auf ursprüngliches Wissen zu konzentrieren, weshalb es bis zum heutigen Tage beinahe verloren gegangen wäre und warum es für die Autarkie der Menschen so wichtig war und auch heute noch ist. Dies gilt sowohl für die Kenntnis über die Verwendung von Wildpflanzen zur Ernährung, aber eben auch um die medizinische Nutzung von Heilpflanzen. Danach war Frau Gieringer an der Reihe, den Teilnehmern einen kurzen Überblick über die Wirkungsweise von Phytopharmaka, die Geschichte der Phytotherapie sowie wichtiger Pflanzeninhaltsstoffe zu vermitteln.
Die Pflanzenheilkunde, also die Lehre von der Nutzung von Heilpflanzen als Medikamente zur Vorbeugung oder Linderung von Erkrankungen, ist die älteste weltweit verbreitete Heilkunst. Die Pflanzenwirkstoffe finden hierbei in den unterschiedlichsten Darreichungsformen wie beispielsweise als Tee, Salben, Tinkturen, Kapseln oder Öl Verwendung.
Zwar bilden auch in der Schulmedizin Heilpflanzen für ca. 50 % der Arzneimittel die Grundlage, jedoch wird hier meist der jeweilige Wirkstoff isoliert oder aber sogar künstlich nachgebaut.
Die in der Phytotherapie genutzten, ausschließlich aus Pflanzen hergestellten Medikamente werden demgegenüber aus ganzen Pflanzen oder Pflanzenteilen, wie der Wurzel, den Blättern, Samen oder Blüten hergestellt. Denn die klassische Pflanzenheilkunde folgt der Ansicht, dass nicht nur durch den Wirkstoff allein, sondern vor allem durch das Zusammenspiel mit den anderen in der jeweiligen Pflanze enthaltenen Hilfs- und Begleitstoffen, überhaupt die gewollte Wirksamkeit entfaltet und dem menschlichen Körper bioverfügbar bereitstellt werden kann. Die sogenannten Phytopharmaka bestehen häufig auch aus mehreren pflanzlichen Wirkstoffen, wobei durch die vorgenannte Verarbeitung jeder Wirkstoff selbst bereits ein Gemisch aus den verschiedenen Pflanzeninhaltsstoffen ist.
Die hier gelehrte klassische Phytotherapie, die sich nicht auf wissenschaftliche Beweise von Forschungslabors stützt, sondern auf die jahrtausendealte geschichtlich belegte Wirksamkeit der Anwendungen, ist von der sogenannten rationalen Phytotherapie zu unterscheiden. In der rationalen Pflanzenheilkunde steht die Reproduzierbarkeit der Wirkung eines Arzneimittels für jeden Patienten mit den gleichen Symptomen und Diagnose im Vordergrund. Dies ist jedoch aufgrund der Individualität jedes Menschen nicht unbedingt zu gewährleisten, da jeder Körper hierauf verschieden reagieren kann. Zwar sind unerwünschte Nebenwirkungen bei den rein pflanzlichen Produkten seltener und weniger ausgeprägt, aber durchaus möglich. In jedem Fall ist auf die Qualität und den Herstellungsprozess der Arznei zu achten.
In diesem Zusammenhang wies Frau Gieringer im Kurs darauf hin, dass die sogenannten Anthrachionen, also Abführdrogen, eine Ausnahme zu der Regel bilden, dass Phytopharmaka grundsätzlich verträglicher als synthetische Medizin sind. Sie rät hier ausdrücklich von der Nutzung pflanzlicher Abführmittel, wie beispielsweise Sennesblättern oder dem Schwedenbitter nach Maria Treben ab.
Auch darauf, dass Kampfer und Menthol wegen der enthaltenen starken ätherischen Öle nicht für Kleinkinder geeignet sind, und stattdessen Zitronenöle verwendet werden sollten, wurden wir hingewiesen.
Weiter gab Frau Gieringer praktische Hinweise zur Verwendung von durchblutungsförderndem Johanniskrautöl bei Sonnenbrand und Narben, sowie Rizinusöl (Christpalmöl) und Mandelöl gegen Altersflecken.
Sie erklärte, dass die Bitterstoffe in den Pflanzen grundsätzlich verdauungsanregend, Eiweiße entzündungshemmend und Gerbstoffe adstringierend, also zusammenziehend, sowie leicht stopfend wirken.
Auch die hervorragende Wirksamkeit von Thymian als Schleimlöser bei Husten wurde besprochen und eindringlich darauf hingewiesen, dass es zur Gesundung ebenso dazugehört wirklich viel Wasser zu trinken. Auch wenn dies die meisten Menschen eigentlich wissen, wird diesem Faktor oft nicht genug Rechnung getragen.
Wichtig fand ich den allgemeinen Hinweis zur Teezubereitung: Um die sehr flüchtigen ätherischen Öle im Tee zu behalten, sollte dieser nach dem Überschütten mit heißem oder kochendem Wasser schnell zugedeckt werden. Beim Wegnehmen der Abdeckung ist dann dringend darauf zu achten, die kondensierten Tröpfchen wieder in den Tee zurücktropfen zu lassen, denn hier befinden sich die wirksamen Öle, die sonst verlorengehen.
Im Anschluss führte uns Dr. Markus Strauß eine kleine Runde über den Kohlhof, um uns kurze Informationen über die frühen wichtigen Pflanzen zu geben und diese vorzustellen. Denn diese werden beim nächsten Seminartermin im Mai in dieser Form nicht mehr zu finden oder zu gebrauchen sein. Hierzu gehörten u.a. der Huflattich, junge Spitzahorntriebe, das Scharbockskraut, ganz junger Giersch sowie junge Lindenblätter.
Huflattich wurde inzwischen aufgrund des ArzneimittelG in medizinischen Präparaten durch den weniger wirkträchtigen Spitzwegerich ersetzt. Beim Huflattich handelt es sich um eine hochwirksame Heilpflanze gegen trockenen Reizhusten oder allgemeinen Reizungen des Mund- und Rachenraums. Auch in der Küche finden die jungen Blätter und Blütenknospen auf Brot oder im Salat Verwendung.
Als nächstes probierten wir junge Spitzahorntriebe, die zu dieser Zeit als Zweikeimblättrige überall unter den Bäumen des Spitzahorns zu finden sind – lecker!
Wichtig beim Scharbockskraut, dem ersten Frühlingsanzeiger, ist es darauf zu achten, dass dieses noch keine der schönen kleinen gelben Blüten ausgebildet hat, denn ab diesem Moment entwickelt das Scharbockskraut giftige Alkaloide und ist nicht mehr genießbar.
Weiter probierten wir auf unserem Rundgang ganz jungen Giersch, sowie junge Lindenblätter. Die frischen, milden Lindenblätter aß ich persönlich zum ersten Mal und konnte kaum davon ablassen, so gut schmeckten sie.
Einige weitere Wildkräuter, allen voran Löwenzahn, aber auch Wiesen-Schaumkraut, Vogelmiere und Wiesen-Labkraut wurden gemeinsam gesammelt. Während des weiteren Vortrags von Frau Gieringer verarbeitete Dr. Strauß diese zu leckerem Wildkräuter-Quark und-Pesto.
Frau Gieringer sprach nun über die Grundrezepturen des Aufgusses (auch Tee oder Infus), des Abkochens (auch Dekokt oder Absud) und des Kaltwasserauszugs (auch Mazerat).
Hierbei stellt der Aufguss, bei dem die Pflanzenteile je nach Inhaltstoff mit entweder heißem oder kochendem Wasser übergossen werden, um anschließend ca. 5-10 min zu ziehen, die bekannteste und unkomplizierteste Zubereitungsform dar. Hierfür sind meistens die zarteren Pflanzenteile wie Blüten und Blätter geeignet. Für härtere Pflanzenteile, wie Wurzeln, Rinden oder Samen ist die Abkochung vorzuziehen. Hierbei findet die größte Keimreduzierung statt, jedoch gehen auch viele Inhaltsstoffe verloren. Für die Herstellung des sogenannten Dekokt werden die jeweiligen Pflanzenteile in kaltes Wasser gelegt, bis zum Sieden erhitzt, dann entweder wieder 5-10 min ziehen gelassen oder diese Zeit leicht weitergeköchelt. Im Anschluss wird abgeseiht. Beim Kaltwasserauszug werden die Pflanzenteile meist über Nacht oder für ein paar Stunden in kaltes Wasser eingelegt oder höchstens auf Trinkwärme erhitzt und danach ebenfalls abgeseiht. Ein Mazerat wird überwiegend aus Kieselsäure- oder Schleimdrogen hergestellt, wobei der Nachteil dieses Verfahrens in der hohen Keimbelastung und der Schimmelgefahr bei den Schleimdrogen zu sehen ist.
Leider schafften wir es nicht mehr, dies alles praktisch herzustellen oder nachzuvollziehen, jedoch soll das an den folgenden Seminarterminen nachgeholt werden. Im folgenden Beitrag wird es hierzu also hoffentlich noch weitere praktische Informationen geben.